Alpenüberquerung

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Pack ma´s

Die freeXactive-Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran führte über den klassischen Fernwanderweg E5. Wir unterteilten die Strecke in sechs Etappen, die es zu bewältigen galt. Die Idee einer solchen Tour entstand wie immer aus einer Schnapsidee und dem stets schmerzenden Fernweh nach wahrer Natur und Freiheit.
So war es zumindest bei Eike, Michael und Henning. Nach kurzer Recherche und Planung mittels „Superbrain Google“ kamen über 10.000 Artikel zusammen, die die Standardtour beschrieben und in den siebten Himmel lobten. Uns störte hierbei der Begriff "Standard".Einfach und herkömmlich sollte unser Weg nicht sein. In Kolonnen einen Berg zu erlatschen und zwischen den Etappen in einem Wellness-Hotel zu nächtigen, entspricht nicht unserem Outdoor-Gedanken, den wir verfolgen.
Trotz zahlreicher Warnungen und Verbotshinweisen entschlossen wir uns die etwa 150 km lange Tour mit Zelt und Selbstverpflegung zu laufen und zwischen den Etappen in freier Natur zu nächtigen.
Die zusammengesuchte Outdoorausrüstung bestand unter anderem aus Zelt, GPS- und Kochsystem, welches mit dem zahlreichen anderem Plunder in die Rucksäcke geschmissen wurde. So kam ein Marschgepäck von rund 22 kg pro Wanderbursche zusammen.
Um nichts dem Zufall zu überlassen, fand kurz vor dem Abenteuer der letzte und einzige Ausrüstungstest in den Weiten der Wilsumerberge statt. Dabei durchquerten wir die Niedergrafschaft und lernten den für uns bisher unbekannten Wilsumer-Wanderweg kennen. 


Etappe 1:
Servus Oberstdorf

In acht Stunden chauffierte uns die Bahn von Bentheim, im platten Norden, zu unserem ersten Ziel, der südlichsten Gemeinde Deutschlands: Oberstdorf.
Hier begrüßten uns ein wundervolles Bergpanorama, verschneite Gipfel, prallgefüllte Biergärten und Dirndldekolletés. Unser Outdoorherz überschlug sich vor Freude und drängte uns loszumarschieren.
Die Wasservorräte wurden noch schnell am öffentlichen Brunnen auf ein Maximum gebracht und schon sagten wir Oberstdorf „Pfiati“. Vorbei an rauschenden Bächen erreichten wir am Abend unser Tagesziel, die Spielmannsau, von der unsere Tour am nächsten Tag in unwegsames Gelände führen sollte. Nach dem Motto „eine Kuh und drei Zelte stehen auf einer Wiese“ hatten wir nach unendlich kurzer Zeit eine passende Residenz gefunden. Die Zelte wurden auf modrigem Erdreich errichtet und der Kocher auf Vulkanhitze angepowert. Wir fühlten uns endlich angekommen.
Den einsetzenden Regen nahmen wir einfach hin und genossen den köstlichen Instant-Kartoffelbrei. Hätten wir gewusst, dass der Wettergott sich daraus einen Spaß machen wird, in den nächsten beiden Tagen jede Mahlzeit mit Regen zu überschütten, hätten wir uns sicher einen geschützteren Schlafplatz gesucht.
Nicht desto trotz waren wir anschließend froh in unseren Schlössern aus Nylon und Folie zu liegen und bei prasselndem Regen einzuschlafen.


Etappe 2:
Geh' ma los...

Um 5:30 Uhr randalierte unser Wecker. Unser heutiges Tagesziel lautete die 9 Stunden entfernte Materialseilbahn der Memminger Hütte zu erreichen.
Nachdem der Regen die ganze Nacht zwei unserer Zelte flutete und es doch kälter als erwartet war, nahmen wir die erste Etappe in Angriff. Diese begann mit dem Anstieg zur Kemptner Hütte und der anschließenden Besteigung des Mädeljoch auf 1974 Meter. Die ersten Meter, des frühen Tages, verliefen über matschige, schmale Wege, vorbei an zahlreichen Bächen und unzähligen Gedenksteinen, die von tragischen Unglücken berichteten und uns die vielen Gefahren dieser Alpenwelt vor Augen führte.
Kurz vor dem Erreichen des ersten Zwischenziels (Kemptener Hütte) legten wir eine wohl verdiente Frühstückspause ein.
Ein Traum aus Trockenmilch und Müsli gaben uns die nötige Power für den darauffolgenden Abschnitt und den Länderwechsel nach Österreich am Mädeljoch. Wie versprochen war die Pause von einem Wetterumschwung begleitet und Nebel, Regen und Schnee ließen Mütze bzw. Handschuhe unabdingbar werden.
So marschierten wir eingepackt wie eine russische Matroschka weiter und erreichten den Abstieg nach Holzgau. Im Land der hundert Berge und überteuerten Energydrinks liefen wir über die Geröllfelder hinab. Jede Menge Flüsse und Österreichs größte Hängebrücke führten uns strickt ins Tal. Laut Tourenplan sollte uns dort ein Taxi-Unternehmen bis zur Materialbahn der Memminger Hütte, unserem gewünschten Schlafplatz der nächsten Nacht, bringen. Da Wunsch und Realität selten beste Freunde sind, konnten wir an diesem Tag kein Taxi mehr chartern.
Nach einer zweistündigen Wartezeit, im überteuerten und kalten Holzgau, wurde uns mitgeteilt, dass heute Niemand mehr zur Materialseilbahn hochfährt. Mit dieser schlechten Nachricht im Gepäck irrten wir durch das 419-Seelendorf und suchten einen geeigneten Schlafplatz.
Letztendlich konnten wir in einem Hinterhof eines Hotels unser Lager errichten und auf den morgigen Taxitransfer warten. Der anfangs aussetzende Regen hat uns anschließend auch wieder beim Kochen und ebenfalls die ganze Nacht in unseren Zelten begleitet.


Etappe 3:
Endloser Abstieg nach Zams

Nach einer erholsamen Nacht, stand das 8½ Stunden entfernte Ziel Zams auf dem heutigen Plan. Wir verstauten stets die nasse Trekkingausrüstung in unseren Rucksäcken und gönnten uns erneut Tee und Müsli bis zum sehnsüchtig erwarteten Taxitransfer.
Der vollbesetzte Taxibulli brachte uns endlich zur ersehnten Materialbahn der Memminger Hütte, wo unser nächster Anstieg bevorstand.
Die regnerische Nacht hatte den schmalen Pfad in einen matschigen Aufstieg verwandelt, so blieben ungewollte Rutschpartien und erste Stürze unvermeidbar. Von der Natur neu eingefärbt und von Eisregen bombardiert erreichten wir die Memminger Hütte auf 2242 Meter.
Eine stärkende und wärmende Kaffeepause kam hier genau richtig und war so ziemlich unser letzter Kontakt mit weiteren Menschen an diesem Tag.
Innerhalb von einer Stunde wanderten und kletterten wir weiter auf den höchsten Punkt der Seecharte auf 2599 Meter und wurden dort von besserem Wetter begrüßt. Die gefühlte unendliche Weite und atemberaubende Aussicht war eine wahre Belohnung und ließ den brennenden Schmerz der Füße in Vergessenheit geraten. Unvorstellbar dass die Seecharte bereits von Steinzeitmenschen durchwandert wurde und sich noch heute Menschen in dieses Abenteuer wagen.
Der anschließende fünf stündige Abstieg nach Zams, stellte sich als Kampf für die Beinmuskulatur heraus. Ein in den Fels gesprengter Steig führte uns endlos talabwärts. In dieser Weise verbrannten wir etwa 2000 Höhenmeter unter unseren Sohlen.
Oberhalb von Zams erreichten wir einen kleinen Felsvorsprung, der uns als Nachtlager diente. Die Hoffnung unterwegs Trinkwasser zu finden, hatte sich leider nicht erfüllt.
Somit saßen wir zusammen bei einer traumhaften Aussicht, ohne Wasser zum Kochen. Jedoch erfüllten Müsliriegel und Fischkonserven ihren Zweck, bevor wir eine geruhsame Nacht verbrachten.


Etappe 4:
Nachtlager in Sicht!

Nach einer Nacht um den Gefrierpunkt schüttelten wir die gefühlten Eiszapfen vom Zelt und tauten unsere sterbliche Hülle in der strahlenden Morgensonne auf. Ein ungewohntes Gefühl, ohne Regen und wolkenverzogener Bergpracht aufzustehen und die Trekkingausrüstung zu verpacken.
Aber an diesem Tag schien alles anders zu werden. Da sich unsere Wasservorräte auf Null beliefen, entschieden wir uns im Tal zu Frühstücken und zunächst einen öffentlichen Brunnen aufzusuchen.
Nach dem dies erfolgreich absolviert worden war und wir leider eine nette Einladung eines Einheimischen, zu einem Bier, ablehnen mussten (7:30 Uhr), konnten wir unser Tagesziel in Angriff nehmen.
In 8½ Stunden sollte es zur Braunschweiger Hütte auf 2758 Meter gehen. Hier wurde zur Abwechslung nicht gezeltet, denn die gemeldeten Temperaturen der kommenden Nacht ließen uns leider keine andere Wahl.Die Tour führte uns zunächst auf den Kahlberg (2208 m), von dem wir eine atemberaubende Sicht auf das Alpenpanorama hatten. Zu beneiden waren hier die Paraglider, die direkt vor unserer Nase der strahlenden Sonne entgegenflogen. Der Weg führte uns weiter über zahlreiche Bäche, einsame Wiesen und vorbei an unzähligen Kühen. So liefen wir etwa 5½ Stunden und erreichten unseren nächsten Bustransfer, der uns von Wenns (982 m) nach Mittelberg (1736 m) brachte.
Von Mittelberg waren es noch etwa drei Stunden bis zur Braunschweiger Hütte. Über Geröllfelder, entlang an mächtigen Wasserfällen und seilgesicherten Anstiegen näherten wir uns langsam unserem Tagesziel.
Unsere mittlerweile gut anzusehende Erschöpfung war sicherlich auf den stundenlangen Mangel von Wasser und fester Nahrung zurückzuführen.
Gegen 19 Uhr erreichten wir die langersehnte Hütte, in der wir unsere Mägen mit süffigen Bier und wohlschmeckendem Fleisch befriedigten.Im gemütlichen 8 Bettzimmer ging es, nach der zwei minütigen Erholungsdusche, in die Waagerechte.


Etappe 5:
Auf in den Schnee!

Als Vorzeigewanderer stärkten wir uns bereits um 6 Uhr bei einem exzellenten Frühstücksbuffet.
Unsere fünfte Etappe führte uns über Schneefelder, vorbei an der Sölden-Arena, herab bis nach Vent (1896 m) und anschließend zur Martin-Busch-Hütte (2501 m).
Das erste Teilstück dirigierte uns hoch zum Pitztaler Jöchl (2996 m). Umgeben von Gletschern und diversen Steinböcken blieben unsere Kameras nicht lange in der Tasche. Ein Wahnsinn, im Sommer die verschneiten Berghänge zu bewundern und den Pistenbullis beim Präparieren zu beobachten.
Unser Weg verlief über Schneefelder herab zur Sölden-Arena. Mit einer gewissen Vorfreude auf die nächste Skisaison sprangen und spurteten wir über die verschneiten Hänge. So entstanden vermeidbare Stürze, die aber mit einer Mordsgaudi verbunden waren.
Bei der Arena waren wir gezwungen einen Bus durch den Gletschertunnel zu nehmen und uns in fünf Minuten zum Tiefenbachferner (2793 m) bringen zu lassen. Von hier wanderten wir zügig bergab bis nach Vent (1896 m). Wir überholten andere Wanderkollegen mit ihren kleinen Rucksäcken und hörten immer wieder die gleichen Sprüche: „Da sind wieder unsere Sherpas!“ oder „Seid’s ihr auf der Flucht?!“. Wir machten uns einen Spaß daraus und betitelten uns als „E5 Express“.
Nach 6 Stunden erreichten wir schließlich Vent. Ein kleiner Ort, der uns mehr als Durchgangspunkt und weniger als Urlaubsort erschien. Bevor der nächste Anstieg folgen sollte, feuerten wir erneut unseren Kocher an und stärkten uns mit Nudeln und allem möglichen Schmarrn, der sich erhitzen ließ und nahrhaft war.
Das letzte Stück, unser Etappe, führte uns über einen uninteressanten, breiten und gefestigten Weg hoch zur Martin-Busch-Hütte. In dieser kleinen Hütte verbrachten wir die Nacht mit etwa 35 weiteren Wanderern im Lager. Spaghetti und ein frisch gezapftes Weizenbier waren nur ein schwacher Trost bei dem Schnarchkonzert, dass uns in dieser Nacht geboten wurde.
Immerhin hatten wir uns wieder jeweils eine Minute unter der Dusche gegönnt und fühlten erneut fit für den nächsten Tag.


Etappe 6:
Bella Italia!

Die letzte Etappe lag vor uns. Bevor es um 7 Uhr auf den ersten Anstieg zur Similaunhütte (3019 m), dem höchsten Punkt unserer Tour ging, stärkten wir uns noch schnell mit drei gutbelegten Stullen.
So wie die Tour begonnen hat, so sollte sie auch enden: Kälte, Regen und Schnee hatten uns wieder eingeholt. Vor lauter Nebel konnten wir kaum die Similaunhütte und die Grenze nach „Bella Italia“ erkennen.
Das im Reiseführer beschriebene mediterrane Klima hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Es folgte ein etwa 3 stündiger Abstieg zum Vernagt Stausee, das Ziel des üblichen E5-Wanderers. Schnell verloren wir an Höhenmetern und kämpften uns durch Geröllfelder und verregnete Berghänge. Schritt für Schritt kamen wir dem gewaltigen und himmelblauen Stausee entgegen.
Angekommen sahen wir leider kaum die Hand vor Augen, aber wir hatten es geschafft!
Ein Bus brachte uns anschließend in 1½ Stunden nach Meran. Hier, in der Perle Südtirols, schlenderten wir durch die Gassen, stärkten uns mit italienischen Döner, deutschem Weizenbier und genossen die letzten Stunden am Ziel unserer Tour.
Um 4:35 Uhr hieß es dann Abschied nehmen. Über München und Hannover ging es zurück in die Heimat.


Das Kurzvideo

Die Daten

Die Streckenübersicht



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